E-Health – Digitale Technologie für eine bessere Gesundheitsversorgung
Die Menschheit hat sich in Bezug auf das Gut Gesundheit schon viel Wissen in Form von Medizin oder Dienstleistungen wie Heilkunde, Therapien oder Operations-Methodiken beigebracht. Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung zeigt sich nun, dass moderne Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) auch für das Gesundheitswesen von immer größerer Bedeutung werden. Dabei geht es nicht nur um das elektronische Erfassen von Patientendaten und die schnellere Analyse von Untersuchungsergebnissen, welches Medizinern wie auch Dienstleistern die Arbeit und den Austausch erleichtern soll, sondern auch um das Schaffen einer höheren Transparenz und Eigeninitiative auf Nutzer- und Patientenseite.
Gesundheits- und Fitness-Apps, ausgefeiltere Sensoren und datenbasiertes Monitoring sind dabei Teil einer Vielzahl neuer Technologien, die sich aus dem Bereich E-Health (Electronic Health) entwickelt haben und die es für Nutzer und Patienten mittlerweile zu einem Kinderspiel machen, sich intensiver mit dem eigenen Körper und der eigenen Gesundheit auseinanderzusetzen. Doch was verbirgt sich hinter dem recht neuen Buzzword E-Health? Und inwieweit können digitale Technologien tatsächlich ihren Beitrag zu einer besseren globalen sowie vernetzten Gesundheitsversorgung leisten?
Telemedizin, Mobile Health und E-Learning als Teil von E-Health
Vormals unter Teleradiologie, Telemedizin oder Telematik bekannt, entwickelte sich Electronic Health Ende der 90er zu einer Art Sammelbegriff für alles, was mit Computern, Internet und Medizin zu tun hatte. Heutzutage umfasst E-Health (auch mHealth, Healthtech oder Health 2.0 genannt) alle Anwendungen elektronischer Informations- und Kommunikations-Technologien, die dem Bereich Gesundheit zugeschrieben werden. Dazu zählen innerhalb Deutschlands die Überbegriffe Telemedizin, Mobile Health und E-Learning:
Telemedizin oder auch telekommunikative Medizin beinhaltet jene Gesundheitsdienstleistungen, die über weite Distanz erbracht werden. Hierzu zählen Ferndiagnosen; Online-Videosprechstunden mit Psychiatern oder Therapeuten; die durch einen vom Arzt kontrollierten Roboter durchgeführte Telechirurgie; oder das Telemonitoring zur Überwachung von Gesundheitswerten – z. B. über einen Herzschrittmacher.
Mobile Health umfasst gesundheitsspezifische Anwendungen, auf die über Smartphones oder Wearables zugegriffen werden kann. Dies reicht von schlichten Kurznachrichten, die den Patienten an die Medikamenteneinnahme oder einen Termin erinnern, bis hin zur Registrierung von Geburten und Sterbefällen oder der Überwachung von Krankheitsverläufen und Körperfunktionen.
E-Learning beschreibt computergestützte und internetbasierte Lernangebote zum Wissensaustausch rund um das Thema Gesundheitsversorgung. Gerade für Entwicklungs- und Schwellenländer ist dies ein kostengünstiges und weitreichendes Werkzeug, um dem oftmals vorherrschenden medizinischen Lehr- und Fachkräftemangel vor Ort mit Weiterbildungsangeboten und Aufklärung entgegenzuwirken.
Spielindustrie und Technologiegiganten als Treiber der medizinischen Forschung
Bevor E-Health aber Teil des medizinischen Jargons und zu mehr als nur einem Buzzword wurde, brauchte es, wenn man so will, einen kleinen Schubs, der Mitte der 2000er aus der Videospielindustrie in Form von virtuellem Sport kam. Der japanische Spiel- und Konsolenhersteller Nintendo schaffte es, Familienmitglieder von jung bis alt durch spielerische Motivation vor den Fernseher zu bringen, um sich bei „Wii Sports“ interaktiv in Wettkämpfen zu messen und vor allem zu bewegen. Dank der intuitiven und einfachen Steuerung, bei der die Bewegungen des Controllers in der Hand auf die Bewegungen der Spielelemente auf dem Bildschirm übertragen wurde, fand die Wii so auch schnell ihren Einzug in Altersheime und Reha-Kliniken, um das spielerische Fördern bzw. Wiedererlangen motorischer und teilweise auch kognitiver Fähigkeiten zu begünstigen.
Seitdem hat sich der Bereich der Videospiele stark weiterentwickelt und bietet heutzutage bspw. dank Virtual Reality weitere Möglichkeiten, die nicht nur unsere physische Gesundheit über ein mehr an Bewegung positiv unterstützen, sondern immer mehr auch unserer Psyche zugute kommt. So können speziell für den therapeutischen Zweck entwickelte Games helfen, Angststörungen wie Höhenangst, Flugangst oder soziale Phobien zu behandeln, da die virtuellen Umgebungen von den Nutzern als real erlebt werden und gleichzeitig in einem zu hundert Prozent kontrollierbarem Raum stattfinden. Selbst bei Essstörungen oder gar psychotischen Erkrankungen wurden in den vergangenen Jahren so erste Erfolge gefeiert, indem VR als Teil der Therapie genutzt wurde.
Neben Games hat sich im Zuge der Digitalisierung der Markt für mobile digitale Gesundheitsprodukte enorm vergrößert und boomt regelrecht. Große Tech-Unternehmen wie Google, Apple, IBM, Meta oder Tencent finden sich seither an vorderster Front der medizinischen Forschung wieder, wobei die Aktivitäten auf dem europäischen Gesundheitsmarkt noch recht rudimentär daherkommen, da die Auflagen zum Schutz der Patienten-Daten zu den weltweit strengsten gehören. Nicht einmal 50 geprüfte Anwendungen finden sich so im Verzeichnis für digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA), welches eine Kategorisierung unter E-Health überhaupt erst erlaubt. Die Anwendungen der global agierenden Großkonzerne beziehen sich daher hierzulande bislang exklusiv auf Gesundheits-Apps, die eher als Lifestyle-Produkte gelten und als solche auch verortet werden.
Das können Anwendungen sein, die die Mobilität unterstützen, wie bspw. das Tracking von Schritten oder Sport- und Haltungsübungen, welche in Smartphones oder Wearables heutzutage fest verankert sind. Aber auch wenn es um das Überwachen und Optimieren der eigenen Ernährungsgewohnheiten geht, stellen mehr und mehr Anbieter Dienstleistungen zur Verfügung, mit denen nicht nur das Kalorienzählen vereinfacht wird, sondern auch die Einnahme von Vitaminen und Zusatzstoffen getrackt werden kann oder vorherrschende Unverträglichkeiten festgestellt werden können. Und auch Anwendungen, die zum Entspannen und Meditieren einladen, bei denen der Fokus bspw. auf die Schlafqualität, Aufmerksamkeitsübungen, Stress- und Angstabbau oder auf eine bessere Atmung gelegt wird, freuen sich immer größerer Beliebtheit.
Eine Reform des Gesundheitssystems in Zeiten der Digitalisierung
Health hält aber nicht nur Einzug in den privaten Alltag und bei Therapien, sondern auch in Praxen, Krankenhäusern, Apotheken, Krankenkassen und im Pflegedienst in Form eines vom Staat aufgesetzten E-Health-Gesetzes. Ziel des Gesetzes ist die allmähliche Digitalisierung des Gesundheitswesens zum Aufbau einer sicheren Telematikinfrastruktur (TI) und zur Implementierung digitaler medizinischer Anwendungen. Dies soll durch verschiedenste gesetzliche Maßnahmen geschehen, welche bspw. durch Serviceangebote die Sicherung der Arzneimittelversorgung regeln und das Patientendaten-Schutz-Gesetz sowie die Modernisierung der Pflege vorantreiben. So sollen zukünftig Anwendungen unser Gesundheitswesen in seinen Möglichkeiten erweitern und transparenter machen, die mit Hilfe modernster Informations- und Kommunikationstechnologien unterschiedlichste medizinische Prozesse begleiten.
Ein Beispiel für eine gesetzliche Maßnahme dieser Art, ist die Digitalisierung der Patientenakte. Ziel ist es hierbei, die angesammelten Papierberge abzutragen und eine zentrale Übersicht aller Daten zu haben, die bisher verstreut in verschiedenen Praxen liegen. Dies soll sowohl die Praxen selbst entlasten, indem bereits festgestellte Befunde, Medikationen, Allergien und Unverträglichkeiten direkt eingesehen werden können, als auch die Transparenz für die Patienten erhöhen, indem Arztbriefe, Befunde und Medikamente in eine übersichtliche Ordnung gebracht werden. So soll eine zentrale Sammlung aller Daten geschaffen werden, die für spätere Behandlungen angewandt werden kann. Die E-Akte soll dem Patienten zudem proaktiv helfen: ihn an Regeltermine erinnern sowie die Möglichkeit bereitstellen, per Medical Messenger Textnachrichten mit dem zuständigen Arzt auszutauschen.
E-Health soll daher sowohl das Gesundheitssystem entlasten als auch Triebfeder für eine neue Präventionskultur sein, die den bisherigen Fokus auf kurative Medizin durchbricht. Inwiefern dies in einem Land möglich ist, in dem Krankenhäuser basierend auf Marktlogik und Privatisierung betrieben werden, ist allerdings fraglich. Die seit drei Jahrzehnten sinkende Anzahl an existierenden Krankenhäusern und verfügbaren Betten sowie ein akuter Mangel an Pflegepersonal und medizinischer Versorgung im ländlichen Raum sprechen zumindest dafür, dass eine ganzheitliche Reform des Gesundheitssystems längst überfällig ist. Die Möglichkeiten hinter E-Health haben hierbei sicherlich das Potenzial verschiedenste Versorgungslücken allein durch eine bessere Vernetzung zu schließen, jedoch bedarf es weitreichender struktureller Veränderungen innerhalb des Gesundheitssystems, bei denen die Digitalisierung unterstützend wirken, bestimmt aber nicht als reformatorischer Heilsbringer fungieren sollte.
Ein Arzt betreut heutzutage bis zu 70 Patienten am Tag, wodurch bei vielen eher das Gefühl der Fließbandarbeit aufkommt denn einer wirklichen Beschäftigung mit dem Patienten. Der menschliche Kontakt bildet aber sowohl für Patienten als auch für Ärzte die Grundlage, wenn es um Betreuung, Kommunikation, das Adressieren von Sorgen und auch spendenden Trost geht. Viele Mediziner stecken deshalb gerade beim Thema E-Akte hauptsächlich ihre Hoffnung in eine mögliche Zeitersparnis sowohl bei der Anamnesearbeit als auch bei der Erstellung des Medikationsplans inklusive Abgleich der Wechselwirkungen. Zeit, die wieder mehr in den persönlichen Austausch gesteckt werden kann. Inwieweit diese Hoffnung aber bestätigt wird, wird sich noch zeigen müssen. Bislang nutzen weniger als ein Prozent der Patienten die E-Akte, wodurch sie aktuell eher einer Randnotiz gleicht, mit der sich weder Fürsprecher noch Gegner tiefgehend auseinandersetzen wollen, solange die bis 2024 geplante Verbindlichkeit noch nicht druckreif ist. Andere digitale Hilfsmittel, wie Video-Sprechstunden oder gar automatisierte Chat-Bots, welche die Sprechstunde teils übernehmen, sind nahezu einhellig überhaupt kein Thema in den Praxen, was den vorherrschende Wunsch nach einer gelebten Arzt-Patienten-Beziehung weiter verdeutlichen sollte.
Die Frage nach dem Datenschutz und die Sorge vor dem gläsernen Menschen
Im globalen Vergleich hat Deutschland beim Thema E-Health noch viel Nachholbedarf. Zwar verfügen viele Arztpraxen mittlerweile über die notwendige Ausstattung an Computern und Technik, jedoch mangelt es nach wie vor an der elektronischen Datenerfassung und dem Austausch zwischen Praxen und Facheinrichtungen. Verantwortlich hierfür sind vor allem die strengen Datenschutzbestimmungen innerhalb der EU beim Thema Digitalisierung der Gesundheit. Und das für viele Kritiker aus gutem Grund: denn auch wenn die Gesundheit unser größtes Gut ist, so sind auch die sensiblen und sehr persönlichen Daten ein wichtiges Gut, welches zweifellos einen zusätzlichen lukrativen Reiz für große Tech-Giganten und Firmen darstellt, die E-Health Anwendungen vertreiben. Die gesammelten Daten werden zwar zur Weiterentwicklung der Dienste benötigt, aber natürlich kann dieses Wissen auch an Dritte weitergegeben werden. Deshalb gilt es gerade bei externen Anbietern, die nicht innerhalb des Gesundheitssystems zu verorten sind, Vorsicht walten zu lassen und Aufklärung zu betreiben.
Aber auch innerhalb unseres Gesundheitswesens passieren Fehler, die nicht datenschutzkonform sind. So sind bundesweit Falschversände von patientenbezogenen Unterlagen, die zudem oftmals erst gar nicht ausreichend vor Befall mit Schadsoftware geschützt sind, keine Seltenheit. Die IT-Sicherheitsstandards müssen deshalb gestärkt und verbindlich festgesetzt werden, damit in Zukunft keine Patientendaten mehr durch unzureichende technische Vorkehrungen offen im Internet einzusehen sind, wie es leider immer wieder – nicht nur in Deutschland – vorkommt.
Doch selbst wenn eine qualitative Datenschutzmanagementsoftware, mit der Daten verschlüsselt übertragen und Zugriffsrechte zugewiesen werden können, sowie eine saubere digitale Verwaltung, die sich an Schutzziele der Informationssicherheit und Compliance-Regeln bindet, den status quo darstellen würden, bliebe weiterhin die Frage im Raum, welche Daten der Mensch tatsächlich über sich preisgeben will? Und vor allem, mit welchen Konsequenzen? Als in Österreich der Grüne Pass, welcher Informationen über den Corona-Status enthält, vor der Einführung stand, sah das dazugehörige Gesetz zunächst vor, dass aktuelle und historische Daten in Bezug auf gesundheits-, sozial-, erwerbs- und bildungsstatistische Merkmale mit den Krankenständen aller geimpften und genesenen Personen in einem gemeinsamen Register verknüpft und verarbeitet werden sollen. Ohne das Einschreiten von Datenschützern wäre so eine Datenbank geboren, in der tatsächlich jeglicher Lebensbereich einer Einzelperson durchleuchtet werden kann.
Die Vorstellung vom gläsernen Menschen, die durch das fast schon gängige Offenlegen persönlicher Daten im Netz, z. B. über Social Media, geschürt wird, wirft daher zurecht weitere Bedenken und zu klärende Fragen auf. Gibt es bald rein datengetriebene Versicherungstarife, die sich ständig danach richten, wie verantwortlich der Versicherte mit seiner Gesundheit umgeht? Zahlt jeder Einzelne in Zukunft nicht nur Beitragsgeld, sondern auch mit Daten, um gewisse Leistungen überhaupt in Anspruch nehmen zu dürfen? In den USA gibt es bereits Zahnzusatzversicherungen, deren Tarif sich danach richtet, wie regelmäßig der Versicherte seine Zähne mit der bereitgestellten elektronischen Zahnbürste putzt, oder Versicherer, die eine Apple Watch für 25 US-Dollar anbieten, wenn der Versicherte seine darüber getrackten Fitnessdaten zwei Jahre lang übermittelt. Wobei gute Werte die Gesamtprämie der Versicherung senken und schlechte Werte zu einer Nachzahlung der Watch führen.
Nichtsdestotrotz bietet E-Health eine Fülle an Potenzialen und eine erfolgreiche Digitalisierung des Gesundheitssystems kann im Optimalfall nicht nur mit einfacheren Prozessen und modernen Therapiemethoden für jegliche Nutzer aufwarten, sondern – bei entsprechender Einhaltung der Maßnahmen und Vorschriften – sogar zukünftig zu einem höheren Datenschutz führen, als es zu analogen Zeiten möglich war. Bis dieser Optimalfall aber erreicht wird, müssen sich Institutionen, Experten und die Gesellschaft ganz allgemein zunächst einmal darüber im Klaren sein, welche Erwartungen sie an ein modernes Gesundheitssystem überhaupt haben und inwieweit E-Health dieses tatsächlich bereichern und zum Wohle aller verbessern kann.
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Quellen:
bundesgesundheitsministerium.de
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