Flexibles Arbeiten — Viele Arbeitsmodelle und doch keine Universallösung
Das vergangene Jahr, mit all seinen Einschränkungen und Unwägbarkeiten, hat unser gesamtes Zusammenleben in einer Gesellschaft und die Art und Weise wie wir zusammenarbeiten grundlegend verändert. In kürzester Zeit mussten sich Unternehmen den damit einhergehenden Herausforderungen stellen und Lösungen finden, wie diese globale Krise zu meistern ist. Dass Firmen, die bereits zuvor digital gut aufgestellt waren und durch Agilität sowie Flexibilität glänzten, hierbei einfacher an den notwendigen Schrauben drehen konnten, war dabei für viele genauso wenig überraschend wie der seit Jahren angeprangerte Nachholbedarf Deutschlands in Sachen Digitalisierung.
So mussten 46% der mittelständischen Unternehmen ihr Geschäftsmodell bzw. ihre Produkte und Services an die neuen Gegebenheiten anpassen und mehr als die Hälfte erweiterte ihr Angebot bzw. schuf ganz neue Arbeitsplätze im Bereich des Homeoffice und der Mobilarbeit. Eine von vielen ungewollte oder aufgeschobene Neuausrichtung, die mit ihren ganz eigenen Herausforderungen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufwartet und Antworten darauf verlangt, wie die neuen Arbeitsmodelle überhaupt effizient gestaltet und umgesetzt werden können.
Remote Work — Von Präsenz ins Private
Millionen von Menschen weltweit haben im Zuge der Lockdowns damit angefangen, ihren Arbeitsplatz gegen die eigenen vier Wände zu tauschen. Auch in Deutschland wurde vermehrt die Arbeit ins Homeoffice verlegt und für rund ein Viertel der Beschäftigten begann und endete fortan der Arbeitstag in der heimischen Wohnung. Plötzlich vermischte sich die Arbeit mit dem Privatleben und Kollegen sowie Kunden konnten intime Einblicke in die eigene Privatsphäre erhaschen. Für die meisten ein absolutes No-Go, vor allem wenn man sich zudem selbst das Ziel gesetzt hat, die Arbeit nie mit nach Hause zu bringen.
Es mag jedoch überraschen, dass laut aktuellen Erhebungen des WSI ein Großteil der Homeofficeler zufriedener ist sowie von einer gewissen Entlastung der eigenen Arbeitssituation spricht, wenn es um das Thema Work-Life-Balance geht. Allerdings hängt die Vereinbarkeit zwischen Job und Familie sehr von den privaten Umständen ab. Eltern sehen das Homeoffice vor allem dann positiv, wenn eine zusätzliche Kinderbetreuung möglich ist und die eigenen Räumlichkeiten groß genug für ein separates Büro sind –beides Voraussetzungen, die man sich leisten können muss. Außerdem sollte hierbei natürlich nicht vergessen werden, dass das vergangene Jahr eine Extremsituation darstellt. Ob die Homeofficeler ihr Dasein und die Rahmenbedingungen also nur aufgrund der aktuellen Gegebenheiten eher positiver spiegeln, wird sich erst mit der Zeit zeigen. Nichtsdestotrotz scheint das Erleben einer neuen Arbeitsweise bei vielen zumindest zu einem neuen Bewusstsein zu führen, wenn es um den Umgang mit der eigenen Lebenszeit geht.
Und auch das Aufbrechen gewohnter Strukturen sowie der verstärkte Umgang mit neuen Technologien schafft ein neues Verständnis für all das, was uns die Moderne bislang bietet und in Zukunft noch für uns bereithält. Die Digitalisierung erfordert nicht nur das Überdenken bisheriger Arbeitsmodelle, sondern auch das Hinterfragen der eigenen Denk- und Handlungsweisen — sowohl aus Mitarbeiter- als aus Konzern-Sicht. Rituale und Gewohnheiten, die sich durch die Digitalisierung von Alltag und Arbeit verändern, müssen dabei von uns auch wahrgenommen, beobachtet und in einen ethischen Kontext gesetzt werden, damit wir die Potenziale dieses Wandels auch nutzen und aktiv mitgestalten.
Neuer Mehrwert — Freiheit, Umwelt, Flexibilität
Wenn es um neue Arbeitsmodelle geht, müssen wir zunächst festhalten, dass die oftmals synonym verwendeten Begrifflichkeiten Homeoffice und Mobilarbeit nicht ein und dasselbe sind. Während beim Homeoffice ein fest eingerichteter Arbeitsplatz in den eigenen vier Wänden gegeben sein muss, bezieht sich das mobile Arbeiten auf die Zurverfügungstellung von mobilen Endgeräten, welche eine ortsunabhängige Arbeitsleistungserbringung gewährleisten. Mobile Arbeit kann somit z.B. auch auf Reisen, im Hotel oder in einem Café erledigt werden und erlaubt durch das Wegfallen verschiedener arbeitsschutzrechtlicher Vorschriften sowohl Arbeitgebern als auch Arbeitnehmern eine höhere Flexibilität bei der Umsetzung.
Aber egal, ob Homeoffice oder mobiles Arbeiten, beide Arbeitsmodelle sparen gerade Pendlern Zeit und Geld, welches normalerweise für die tägliche Anfahrt zur Arbeit aufgebracht werden muss. Gleichzeitig bringt dieses Vermeiden von alltäglichen Fahrten einen umweltschonenden Effekt mit sich, der wohl größer ausfällt, als zunächst von vielen angenommen. Eine aktuelle Studie des Berliner IZT geht davon aus, dass der CO2-Ausstoß im Verkehr um ca. 5,4 Millionen Tonnen pro Jahr sinken würde, wenn 40% der Arbeitnehmer konstant zwei Tage in der Woche von zuhause aus arbeiten. Dies würde einer Vermeidung von knapp 20% aller durch Pendler entstehenden Emissionen bedeuten.
Und auch Arbeitgeber können aus den neuen Arbeitsmodellen Vorteile ziehen. So können durch das Abbauen von ungenutzten Räumlichkeiten Fixkosten eingespart werden bzw. nur die Arbeitsfläche angemietet werden, die auch tatsächlich für die Aufrechterhaltung einer gewissen Präsenzarbeit oder bei Projektarbeiten von Nöten ist. Zudem fällt es Unternehmen immer schwerer geeignete Mitarbeiter zu finden. Das Erschaffen und Ausschreiben bestimmter Jobs in Vollzeit remote kann Unternehmen ganz neue Möglichkeiten bieten, um dem anhaltenden Fachkräftemangel in vielen Branchen entgegenzuwirken.
Neue Probleme — Kontrolle, Infrastruktur, Psyche
Mit dem einfachen Verschieben vom eigentlichen Arbeitsplatz in die heimische Wohnung ist es aber nicht getan. Firmen bleiben auch beim Homeoffice weiterhin in der Verantwortung gesetzliche Anforderungen zu erfüllen und müssen sich mit stetig neuen Reglungen auseinandersetzen. Vor allem beim Thema IT haben Unternehmen häufig Probleme für den notwendigen Schutz vor Cyberkriminellen zu sorgen, da die IT-Sicherheit plötzlich nicht nur rein firmenintern, sondern auch für jeden remote arbeitenden Mitarbeiter gewährleistet werden muss.
Dies geht auch einher mit einer aktuellen Forsa-Umfrage, laut der gut ein Drittel der Beschäftigten unzufrieden mit der Ausstattung ihres heimischen Arbeitsplatzes sind, wobei vor allem ein instabiles Internet und zu kleine Bildschirme bemängelt werden. Dies liegt in erster Linie daran, dass viele die unternehmenseigene IT mit der privaten IT vermischen müssen, um überhaupt von zuhause aus arbeiten zu können. Deshalb liegt es an den Firmen dafür zu sorgen, dass die remote Arbeitsbedingungen denen vor Ort weitestgehend entsprechen, und lernen, dass nicht Kontrolle, sondern Vertrauen in die Mitarbeiter hinsichtlich der Arbeitszeiten und Leistungserbringung gesetzt werden muss.
Remote Work hängt nämlich stark von der Selbstdisziplin und Selbstorganisation ab, weil die Grenzen zwischen Arbeitszeit und Freizeit verschwimmen. Da sich das Laptop stets in unmittelbarer Nähe befindet und man sowieso ständig erreichbar ist, werden auch in der freien Zeit vermehrt geschäftliche Aufgaben erledigt, was dazu führt, dass u.a. im Homeoffice mehr gearbeitet wird und sich die Überstunden stapeln. Einige haben schlichtweg Schwierigkeiten einen klaren Arbeitsalltag zu etablieren, wenn die vormals räumliche Trennung von Arbeit und Privatem weder physisch noch mental greifbar ist.
Gleichzeitig steigt für viele die psychische Belastung auch deshalb, weil der persönliche, soziale Austausch auf der Strecke bleibt und man in einer gefühlt abgeschotteten Anonymität verschwindet. Natürlich ermöglichen verschiedene Tools die regelmäßige Kommunikation mit Kunden oder die Teamarbeit mit den Kollegen, jedoch ist es ein großer Unterschied, ob dies terminiert durch einen Bildschirm geschieht oder ob dem Ganzen eine gewisse Spontanität zugrunde liegt, welche den oftmals auch privaten Austausch auf dem Flur oder in der gemeinsamen Kaffeepause ermöglichte. Der direkte Kontakt kommt häufig zu kurz, wodurch der Wissenstransfer beeinträchtigt wird und viele sich zusätzlich nicht mehr in ihrem Tun sowie als Teil eines Teams wahrgenommen fühlen.
Neue Herausforderungen bedingen neue Arbeitsmodelle
Die digitale Transformation und das damit einhergehende Arbeitszeitalter 4.0 stellt uns alle vor neue Herausforderungen und bietet gleichzeitig vielfältige Potenziale, wenn es um die Gestaltung und Etablierung zukünftiger Arbeitsplätze geht. New Work, also das neue Arbeiten, bedeutet hierbei nicht nur das Aufbrechen von Hierarchien und das Befähigen der Mitarbeiter zu mehr Eigenverantwortung, sondern bedingt auch das Miteinbeziehen digitaler Tools, welche die Grundlage dieser neuen Arbeitswelt bilden. Neue Arbeitsmodelle sind daher aus unternehmerischer Sicht auch gleichzusetzen mit einem neuen Mindset, das viel mehr Wert auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter, deren Work-Life-Balance sowie flexibler und agiler Arbeitsmethoden legt.
Neben Homeoffice und Remote Work haben sich so bereits weitere Arbeitsmodelle entwickelt, die sich teils auch miteinander verbinden lassen. So wird beim Jobsharing oder auch beim Hotdesking ein Arbeitsplatz von mehreren Personen geteilt, z.B. ein Platz an dem zwei Teilzeitkräfte zu unterschiedlichen Zeiten arbeiten, wodurch mehr Möglichkeiten bei der Rekrutierung entstehen und die Räumlichkeiten effizient genutzt werden können. Diese effiziente sowie kostensparende Nutzung spielt auch bei Co-Working-Spaces die Hauptrolle. Hier wird Arbeitsfläche mitsamt einer Büroinfrastruktur flexibel angemietet und von unterschiedlichen Teams genutzt. Zumeist finden sich hier Selbstständige, Gründer und Start-ups, die nicht von zuhause aus arbeiten möchten und die buchbare Arbeitsfläche je nach Bedarf zum interdisziplinären Austausch nutzen wollen.
Doch die neuen Arbeitsmodelle richten sich nicht nur an infrastrukturelle Lösungen. In vielen Ländern außerhalb Deutschlands wurde in den vergangenen Jahren das Durchsetzen einer Vier-Tages-Woche getestet, in der die gleiche Arbeit in kürzerer Zeit zu erledigen ist. Die bisherigen Versuche zeigen dabei, dass sowohl die Motivation als auch die Produktivität der Mitarbeiter gesteigert werden kann — natürlich vorausgesetzt, dass sich auch alle diesem neuen Mindset verschreiben und die notwendigen Maßnahmen getroffen wurden, um den Arbeitsalltag zu optimieren.
In Deutschland eher bekannt, da Großkonzerne wie SAP, BMW, Lufthansa oder Audi darauf bauen, ist das sogenannte Sabbatical. Hier soll eine berufliche Auszeit dazu genutzt werden, um den zunehmenden Zahlen psychischer Erkrankungen entgegenzuwirken und die Mitarbeiterzufriedenheit zu steigern. Durch Ansparen von Urlaub, Aufbau von Überstunden und/oder teilweisem Gehaltsverzicht wird Mitarbeitern so ein Sabbatjahr ermöglicht, in dem die freie Zeit für Reisen, Familienplanung oder anderweitige Projekte genutzt werden kann, bevor der Mitarbeiter hoffentlich erholt und neu motiviert in den Job zurückkehrt.
Ein Ausblick — Die Zukunft der Arbeit
Digitale Arbeitsplätze werden in Zukunft eine immer größere Rolle spielen und die Möglichkeiten der Mobilarbeit werden die Art und Weise wie wir arbeiten können und wollen weiter verändern. Gerade durch die Pandemie wurde das Digitalisieren von Arbeitsplätzen teils notgedrungen gefördert und nachhaltig beeinflusst. So wollen viele Unternehmen das Arbeiten im Homeoffice beibehalten oder sogar weiter ausbauen, während nur wenige das digitale Angebot wieder komplett einstellen wollen.
Bei Großfirmen wie Google zeigt sich beispielhaft, dass es schlicht auch schwierig ist, Mitarbeiter wieder aus der Remote Arbeit zurückzuholen. Laut internen Umfragen sehen es weniger als 10% für nötig an, überhaupt noch täglich im Büro zu arbeiten, und die überwiegende Mehrheit will einfach die Möglichkeit haben, hin und wieder seiner Arbeit vor Ort nachzugehen. Wenn man dies als Indikator nimmt, kann man davon ausgehen, dass in Zukunft mehr auf flexibles Arbeiten und somit einer Kombination aus Mobil- und Präsenzarbeit gesetzt wird. Mitarbeitern sollte es demnach ermöglicht werden, ihrer Arbeit hauptsächlich remote nachzugehen, ohne jedoch vollkommen auf eine Büroinfrastruktur zu verzichten, die bei Bedarf und bestimmten Projekten vor Ort genutzt werden kann.
Unternehmen sollten also nicht nach einfachen Antworten oder ‚der Universallösung‘ suchen, sondern aus dem Pulk an verschiedensten Arbeitsmodellen kombinierbare Möglichkeiten bieten, die individuell angepasst werden können und wahrhaftig auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter eingehen. Gleichzeitig gilt es sowohl für Unternehmen als auch Mitarbeiter darum zu verstehen, dass die vergangene um sich greifende Arbeitsplatzverlagerung eben speziellen Umständen geschuldet war. In Zukunft muss aus diesem ‚Wir müssen aus der Not heraus eine Veränderung einleiten‘ ein ‚Wir wollen im Sinne der Belegschaft und des Unternehmens Veränderungen anstoßen‘ werden. Denn wie bei jeder anderen Maßnahme zur Unternehmensentwicklung muss auch bei vielversprechenden Arbeitsmodellen stets reflektiert, überprüft und optimiert werden.
„Wir glauben nicht, dass die Zukunft 100 Prozent remote ist. Wir glauben fest daran, dass das persönliche Zusammensein, ein Gemeinschaftssinn, sehr wichtig sind, denn wann immer man schwierige Probleme lösen muss, muss man etwas Neues schaffen.“
Unabhängig von den vorherrschenden Arbeitsmodellen und Rahmenbedingungen müssen allerdings weiterhin vor allem der Teamgedanke sowie die Unternehmenskultur wichtige Stützpfeile darstellen. Deshalb ist es unabdingbar, dass man den neuen Herausforderungen der Arbeitswelt sowie der Zusammenarbeit im virtuellen Raum mit einer gewissen Offenheit und Neugierde begegnet. Dies bedeutet nicht nur hinsichtlich der digitalen Strukturen stets auf dem neuesten Stand zu sein, sondern auch die Gemeinschaft sowie die Kommunikation weiter zu stärken. Gerade der regelmäßige Austausch, sei er geschäftlich oder privat, muss untereinander gewährleistet und gefördert werden, damit sich jeder in seiner Rolle wahrgenommen und als Teil des großen Ganzen fühlt — egal, ob vor Ort, unterwegs oder in den eigenen vier Wänden.