Warum das Redesign eines digitalen Erscheinungsbilds im Unternehmenskontext wichtig ist
Mit dem visuellen Überarbeiten oder ganzheitlichen Umgestalten eines Services, Produktes oder des gesamten Corporate Designs müssen sich alle Unternehmen früher oder später auseinandersetzen, um den erwachsenden Anforderungen im Hier und Jetzt sowie eines dynamischen Marktes gerecht zu werden. Neue Nutzerwünsche, welche die bisherige User Experience untergraben; das Verpassen technischer Entwicklungen oder schlicht ein veraltetes Erscheinungsbild sind hierbei nur einige der Punkte, die einem Unternehmen aufzeigen sollten, dass es augenscheinlich an der Zeit ist, sich mit einem Redesign zu beschäftigen.
Ein gelungenes und zeitgerechtes Design ist schließlich auf mehreren Ebenen von unschätzbarem Wert. So bestimmt es nicht nur den ersten Eindruck, den der Nutzer von einem Produkt oder Service erhält, welcher gleichsam seine Entscheidungsfindung beeinflusst, sondern auch das Image und die Werte, die ein Unternehmen vermitteln will. Die Neugestaltung eines Designs kommt daher allein deshalb schon mit seinen ganz eigenen Herausforderungen daher, da es sich für die bestehenden Nutzer – wenn man so will – um einen zweiten ersten Eindruck handelt, der womöglich Gewohnheiten durchbricht und direkte Vergleichsmöglichkeiten mit der Vorversion bietet. Gibt es also die Gefahr eines zu umfassenden Redesigns? Und, wenn ja, wie kann ein Redesign so aufgesetzt und vertestet werden, dass es sich organisch in den Nutzer- und Unternehmenskontext einfügt?
Alles auf Neu – Warum überhaupt Redesign?
Die Gründe, ein Redesign anzustreben, sind natürlich mannigfaltiger Natur. Das Ändern der Corporate Identity, bei der u. a. Geschäftspapiere und Image-Druckstücke erneuert werden, zählt hierbei zu den logischsten Redesign-Vorhaben, da sich diese Neugestaltung auch im gesamtheitlichen Auftreten des Unternehmens sowie in den angebotenen Services und Produkten widerspiegeln soll. Ähnlich nachvollziehbar verhält es sich bei gesetzlich verankerten Themen (z. B. Barrierefreiheit); bei veralteten technischen Grundlagen (z. B. des Webauftritts) oder wenn sich bestimmte Funktionalitäten, Kampagnen oder Angebote nicht mehr ordentlich und wirtschaftlich sinnvoll abbilden lassen.
Häufig startet eine Initiative aber aus einer Drucksituation heraus, die eher aus der subjektiven Unzufriedenheit des Managements geboren wird, wenn allen voran die Konkurrenz etwas besser zu machen scheint als man selbst. Dies soll nicht bedeuten, dass der Blick auf den Wettbewerb oder über den Tellerrand hinaus eine schlechte Entscheidungsbasis bildet – ganz im Gegenteil –, aber wenn die Antwort auf immer schnelllebiger werdende Marktveränderungen der halbjährliche Start eines Redesigns ist, dann liegt der Hund weitaus tiefer begraben als im reinen Design.
Sowohl Unternehmen, die seit Jahrzehnten mit dem gleichen Design auffahren und nur hin und wieder minimale Anpassungen vornehmen, als auch Unternehmen, die jedwede Möglichkeit zum kurzfristigen Neustart einer Redesign-Phase nutzen, stellen Extreme dar – Extreme, die nur selten logischen Merkmalen folgen. Unabhängig davon, muss bei jeglichem Szenario immer ganzheitlich geprüft werden, welche Neuerungen notwendig sind und ob diese ein Redesign tatsächlich erfordern. Ein Redesign stellt schließlich zumeist ein umfassendes Unterfangen dar, welches genauso nach seinem Aufwand und Nutzen bewertet werden muss wie andere Initiativen. Und genau wie bei der Planung anderer Initiativen bildet beim Redesign ein tiefes Nutzerverständnis die initiale Grundlage.
Alle Nutzer abholen – Zwischen Konfusion und Überraschung
Starke visuelle Veränderungen fallen dem Nutzer immer sofort ins Auge und können deshalb als wirkungsmächtiges Tool eingesetzt werden, um beim Nutzer für einen Überraschungseffekt zu sorgen – oder für Konfusion. Man stelle sich vor, man besucht regelmäßig die Website eines Anbieters und plötzlich ist das gesamte Erscheinungsbild samt Funktionalitäten auf den Kopf gestellt. Das ist dann gut, wenn die vorherige Website mit einem überholten Look & Feel aufwartete und schwerlich zu durchdringen war – aber schlecht, wenn bisher alles einfach von der Hand ging und nun eine nicht gewollte Umorientierung notwendig wird.
Kurz gesagt: ein hartes Redesign kann im Prinzip nur dann funktionieren, wenn die vorangehende Version sowieso schon für unzufriedene Nutzer sorgt und diese die Unzufriedenheit auch nach Außen tragen. Der Wunsch nach Erneuerung taucht nämlich häufig gar nicht initial im Unternehmen selbst auf, sondern auf der Nutzerseite. Diese Nutzer wollen und müssen aber auch gehört werden. Wenn ein hartes Redesign also nur auf einer subjektiven Empfindung beruht und von Nutzerseite keine allzu verheerenden Mängel aufgedeckt werden, stellt ein Alles-auf-neu-machen nur in den seltensten Fällen eine legitime Vorgehensweise dar.
Der Nutzer soll sich gleichsam wegen als auch trotz der Erneuerung des digitalen Erscheinungsbilds besser mit dem digitalen Service oder Produkt zurechtfinden und gerne damit umgehen. Dies gilt natürlich auch für Enterprise Systeme, bei denen ein Redesign gerade im technischen Bereich oder im Onboarding dabei helfen kann, die Systemnutzung und die damit verbundenen Aufgaben für die Nutzer – in diesem Fall die Mitarbeiter – zu erleichtern. Gelingen kann dies aber wie bei jeglichem Projekt nur, wenn dem Redesign eine klare Analyse vorausgeht und genau identifiziert wird, welche Probleme existieren und wie sich die Anforderungslage darstellt.
Eine Frage des Startpunkts – Komplexitäten der Neugestaltung
Bei einem Redesign ist die Hauptfrage immer: Was muss neu gedacht und gemacht werden? Dabei geht es zum einen darum, herauszufinden, was alles überhaupt schon bereits wie gewollt funktioniert und was nicht. Redesign im Digitalen bedeutet nicht, Dinge unnötig zu verändern, die bereits ihre gewünschte Wirkung erzielen, sondern die Dinge anzupacken, die tatsächlichen Mehrwert bieten und Probleme lösen. Zum anderen gilt es zu definieren, was überhaupt möglich ist. Redesign-Vorhaben können sehr leicht und sehr schnell sehr viel Geld verschlingen, wenn überhastet alles auf neu gesetzt wird, da sie mit einer Vielzahl technischer Herausforderungen verbunden sind. So kann es sich bei bestehenden Systemen z. B. um eine native Anwendung handeln, die mit gewissen unverrückbaren Vorgaben und Konsistenzen einhergeht, wodurch Elemente von vornherein nicht komplett auf den Kopf gestellt werden können oder nur unter enormen Aufwand.
Sind die technischen Restriktionen erstmal identifiziert, sollte die Vorgänger-Version einer umfassenden Aufwand-Nutzen-Analyse unterzogen werden und – falls noch nicht geschehen – alle vorhandenen Design-Elemente dokumentiert und z. B. nach dem Atomic-Design-Prinzip, welches vom kleinsten Bestandteil eines Designs zur organisierten Systementwicklung ausgeht, konzipiert werden. Wenn die bisherigen Elemente nämlich noch nicht ausreichend dokumentiert und spezifiziert wurden, geht dies zumeist mit einer zusätzlichen, aufwändigen Übersetzungsleistung einher, in der erstmal definiert werden muss, für was welches Element überhaupt steht.
Ein Redesign-Vorhaben steht daher immer in direkter Abhängigkeit zu dem zugrundeliegenden System. Ist dieses sauber und mit intelligenten Strukturen aufgebaut, erlaubt dies auch in kleinen Schritten schnelle und wirtschaftlich verträgliche Änderungen durchzuführen, die einer agilen Arbeitsweise mit stetiger Iteration entsprechen – z. B. bedingt durch in Nutzertests neu aufgedeckte Anforderungen oder durch aufkommende Trends, die in die Wettbewerbsfähigkeit einzahlen können. Daher gilt: Je modularer und miteinander systemisch die digitale Landschaft aufgebaut ist, desto besser können Nuancen entwickelt, angepasst und fortlaufend optimiert werden, die gleichsam das gesamte Redesign auf stabile Säulen stellen, die den Nutzer weder vergessen noch überfordern.
Gerade für Konzerne und Großunternehmen ist solch eine Modularität daher von entscheidender Bedeutung, da ihre Präsenz viel zu sehr im Bewusstsein der Öffentlichkeit verankert ist und sie beim Versuch eines extremen Rebrandings der Corporate Identity unzählige Zielgruppen in der Umgestaltung neu vereinigen und überzeugen müssten. Zumeist werden daher nur einzelne Komponenten oder Prozesse entweder so subtil verändert, dass der Nutzer dies überhaupt nicht großartig bemerkt, oder in Form eines schleichenden Wechsels stufenweise an ein neues Look & Feel angepasst, damit sich der Nutzer nicht in seiner Wohlfühlzone gefährdet sieht und mit dem Redesign wachsen und lernen kann.
It seems to be a law of design that for every advantage introduced through redesign, there is an accompanying unintended disadvantage.
Design entwickelt sich immer – manche Ideen bleiben lose, manche brechen sich Bahn; manche Innovationen wirken blitzschnell vertraut, andere brauchen hierfür Zeit oder scheitern vom Start weg. All diesen möglichen Perspektiven ist auch das Redesign ausgesetzt, jedoch kann es klar aufgesetzt und durch einen unverrückbaren Nutzerfokus auf den gesammelten Erfahrungen aus der Vorversion aufbauen und die Evolution Schritt für Schritt vorantreiben. Damit das obige Zitat zumindest im digitalen Kontext nicht weiter an Wahrheit gewinnt, sind wir mit unserer Expertise bei forwerts deshalb stets bestrebt, all die komplexen Zusammenhänge und Herausforderungen rund um das Thema Redesign aufzuzeigen, zu erarbeiten und mit unseren Kunden umzusetzen, damit herausragende Funktionalitäten mit einem ansprechenden Look & Feel in jeglichem Service oder Produkt zusammentreffen – im Heute und im Morgen.
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Quellen:
konversionskraft.de/customer-experience
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