Smart Home – Der Weg in das Zuhause von morgen
In den letzten Jahren hat sich das Internet of Things (zu Deutsch: Internet der Dinge) zu einer der wichtigsten Technologien des 21. Jahrhunderts entwickelt. IoT ist dabei als allumfassender Sammelbegriff für physische und virtuelle Dinge zu verstehen, die miteinander verknüpft sind und durch eine vernetzte Informations- und Kommunikationstechnik zusammenarbeiten. Dies erlaubt es gerade im industriellen Bereich, Maschinen und Anlagen so miteinander zu verbinden, dass sich heutzutage ganze Industrieprozesse automatisieren lassen.
Aber auch in den eigenen vier Wänden hält das IoT immer weiter Einzug. So können mittlerweile die verschiedensten Alltagsgegenstände wie z. B. Küchengeräte, Lichter, Schlösser oder auch Autos über eingebettete Geräte mit dem Internet verbunden und gesteuert werden. Es geht also nicht mehr nur um die industriellen, sondern um die privaten Anwendungen des Internet of Things. Um Smart Devices, die für mehr Komfort, Sicherheit sowie Kosten- und Zeitersparnis sorgen – und das eigene Zuhause in ein Smart Home verwandeln sollen.
Die Idee eines automatisierten Zuhauses – Ein Blick zurück in die Zukunft
Die Geschichte des Smart Home ist eng verbunden mit der Geschichte der fortschreitenden Automatisierung und dem allgegenwärtigen Zugriff auf Elektrizität. Als zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts innerhalb kürzester Zeit eine Vielzahl elektronischer Haushaltsgegenstände das Licht der Welt erblickten, nahm dies der US-Komiker Buster Keaton bereits im Jahre 1922 zum Anlass, einen Stummfilm mit dem vielsagenden Titel „Electric House“ zu drehen, in dem erstmals ein vollautomatisiertes Haus dargestellt wurde. Eine Idee, mit der sich George H. Bucher 1939 weit weniger komödiantisch befasste. So beschreibt sein im Popular Mechanics Magazine erschienener Artikel ein vernetztes Haus, welches u. a. über selbstständig öffnende Türen, eine Sprechanlage zur Begrüßung der Gäste sowie eine automatische Reglung der Lichtstimmung verfügt.
Für die damalige Zeit hörte sich dies wie Science-Fiction an und gab folglich einigen Autoren wie Ray Bradbury im Zuge der Nachkriegszeit, in der immer mehr arbeitssparender Geräte auf den Markt gespült wurden, genügend Inspiration, um neue Zukunftsvisionen zu spinnen. Wirklich vernetzte Gebäude wurden jedoch erst in den 60er-Jahren realisiert, als erstmals Industriebauten über konventionelle Elektroinstallation mit Störmeldesystem ausgestattet werden konnten. 1966 offenbarte dann der Ingenieur Jim Sutherland die Potenziale der Heimautomatisierung, als er den ECHO IV (Electronic Computing Home Operator) erfand und in seinem eigenen Zuhause installierte. Der schrankgroße, knapp 400 kg schwere Rechner war dazu in der Lage, Einkaufslisten zu erstellen, Geräte wie TV oder Stereoanlage ein- und auszuschalten sowie auf die Verwaltung der Digitaluhren zuzugreifen.
Mit der Entwicklung von SPS (Speicher programmierbare Steuerung), die als Zentraleinheit alle angeschlossenen Komponenten steuert, und dem 1975 veröffentlichten X10-Kommunikationsrotokoll, welches Schaltsignale an die vorhandene elektrische Verkabelung eines Hauses sendet, stand der Kommunikation zwischen Geräten und Steuermodulen kurze Zeit später im Prinzip nichts mehr im Wege. Doch auf Grund der anfallenden Kosten und auftretender Störfaktoren fristete die Heimautomatisierung bis in die 90er Jahre hinein eher ein Nischendasein für technikaffine Hobbybastler und wenige, die in die in diese neue Technologie investieren wollten.
Kabel a. D. – Smart durch drahtlose Netzwerke
Trotz der Einigung auf einen gemeinsamen Automatisierungs-Standard namens Europäischer Installationsbus (EIB) sowie dem steigenden Zugriff auf das Internet mitsamt neuerer Geräte, die den Fernzugriff auf Smart Home-Systeme ermöglichten, blieb eine gesamtheitliche Automatisierung auch im Laufe der 90er ein recht vereinfachtes Konstrukt, welches weiterhin auf eine zentralisierte Steuerung und kabelgebundene Geräte vertraute. Dies änderte sich erst zu Beginn des neuen Jahrtausends mit dem Aufkommen drahtloser Technologien wie Z-Wave und ZigBee, die heutzutage neben Bluetooth, WLAN und EnOcean zu den etablierten Funkstandards gehören. Dank verbindlicher EIB/KNX-Standards und der Nutzung eines Mesh-Netzwerks mit hoher Reichweite können so beliebig viele Geräte offen miteinander vernetzt werden, ohne das zusätzliche Verlegen von Kabeln zu erfordern.
Dass WLAN in diesem Bereich auch heute noch eine eher untergeordnete Rolle spielt, obwohl nahezu jeder über einen Router und Internetanschluss verfügt, liegt zum einen daran, dass eine stabile Verbindung unerlässlich für eine funktionierende Smart Home-Infrastruktur ist, und zum anderen, dass Sensoren für die Übermittlung kurzer Nachrichten weder eine hohe Bandbreite noch eine hohe Geschwindigkeit benötigen. Die höhere Übertragungsrate im Gegensatz zu Funkverbindungen hat also keinen Mehrwert und sorgt nur dafür, dass WLAN-Geräte viel mehr Strom verbrauchen. Zudem rufen Geräte benachbarter WLAN-Netzwerke, die das gleiche Frequenzband verwenden, gerne Signalstörungen hervor, welche auch die gesamte Verbindungsreichweite senken.
In Zukunft soll das erst kürzlich vorgestellte Software-Protokoll namens Standard Matter, hinter dem sich die internationale Organisation Connectivity Standards Alliance (CSA) verbirgt, zu der u. a. Google, Apple, Amazon und Samsung gehören, eine neue Smart Home-Ära prägen. Matter unterstützt verschiedene IP-basierte Übertragungs- und Netzwerkprotokolle, welche es sowohl unterschiedlichen Geräten als auch Smart Home-Systemen erlaubt, über verschiedenste Wege zu kommunizieren – sei es WLAN, Bluetooth oder Ethernet. Grundlage bildet hierbei die Technologie des Übertragungsstandards Thread, der die Geräte zu einem Mesh-Netzwerk verbindet und energieeffizient die lokale Kommunikation der Geräte untereinander in Echtzeit ermöglicht. Setzt sich Matter durch, könnten Anwender so bereits vorhandene Smart Home-Geräte als Netzwerk-Router in Kombination mit einer einzelnen, universellen Home-App nutzen und beliebig viele marken- sowie plattformübergreifende Geräte einbinden, ohne sich Gedanken über die Kompatibilität zu machen.
Schnittstellen der Zukunft – Nutzern die Kontrolle erleichtern
Standard Matter will damit eine Antwort auf die gestiegenen Erwartungen der Nutzer liefern, die beim Thema Smart Devices heutzutage eine einfache sowie intuitive Handhabung der selbstgewählten Geräte beinhaltet. In den eigenen vier Wänden bedeutet dies vor allem, dass es den Nutzern neben einer gewissen Automatisierung vor allem auch um den Faktor Bequemlichkeit und Kontrolle geht. Smart-Home-Nutzer wollen schließlich nicht von Raum zu Raum gehen, um etwas ein- oder auszuschalten, sondern genau an der Stelle in Interaktion treten, wo sie sich befinden. Die Benutzerschnittstellen beschränken sich deshalb nicht mehr nur auf die gängigen Formen von Weboberflächen mit Ein- und Ausgabedialogen, sondern müssen viel weitergedacht werden.
Für eine richtig angewandte und umgesetzte User Experience werden neue Schnittstellen daher immer wichtiger, was sich bereits an der weitläufigen Verbreitung von virtuellen Sprachassistenten wie z. B. Amazons Alexa, Apples Siri oder dem Google Assistant zeigt. Kombiniert man diese Conversational User Interfaces (CUI) z. B. mit einem Echo Dot, Echo Show oder Apples HomeKit, können die Sprachassistenten auch jetzt schon als Schnittstellen für weitere Smart Home-Systeme verwendet werden, wie bspw. Magenta SmartHome, homee oder Boschs Smart Home Systems. In Zukunft könnte zudem auch eine ausgefeilte Sensorik das Arbeiten mit Tangible User Interfaces (TUI) oder via Gestensteuerung erlauben.
Noch wichtiger werden aber wahrscheinlich Schnittstellen ohne aktive Benutzereingabe sowie kontextsensitive Schnittstellen. Gerade bei den Themen Heizung und Beleuchtung gibt es hier bereits automatisierte Funktionen, bei denen sich beides selbstständig dem Tagesablauf des Nutzers anpassen und Remote gesteuert werden kann. Die automatische Heizungs- und Klimakontrolle sowie intelligente Stromzähler helfen somit in der Optimierung einfacher Alltagsabläufe, beim Senken des Energieverbrauchs – und geben zudem Sicherheit. Fragen wie „Ist der Herd noch an?“/„Sind die Fenster geschlossen?“ können so per Fernüberwachung einfach geprüft und per Knopfdruck korrigiert werden. Es ist daher unabdingbar, dass die entsprechenden Benutzerschnittstellen so im Alltag und Haus platziert werden, dass der Nutzer die bestmögliche Kontrolle über alle Abläufe behält und diese komfortabel bedienen kann.
Zuhause ist nicht gleich Zuhause – Das Entwickeln individueller Lösungen
Da es nicht das Smart Home für alle gibt, müssen bei der Umsetzung eines Devices oder gar eines ganzen Smart Home Systems alle möglichen Zielgruppen der Anwendung in Betracht gezogen und passende IoT-Onboarding-Konzepte entwickelt werden. Technikaffine Bastler wollen womöglich die gesamte Kontrolle über die Steuerung ihres Smart Homes behalten und selbst die Einrichtung übernehmen, wogegen Menschen, die weniger damit anfangen können und sich mehr nach einer Komplettlösung sehnen, eher einen Fachmann für die Installation aufsuchen und sich eine allumfassende Steuerungs-App wünschen. Familien freuen sich hingegen über intelligente Kameras und Babyphone im Kinderzimmer, während Singles vielleicht ihre Wohnung überwachen wollen, wenn niemand zuhause ist. Es gilt also zu definieren, welche Vorkenntnisse diese Personas mitbringen und welche Probleme sie folglich mit dem Workflow und Onboarding haben könnten? Denn jede Zielgruppe verfügt über eigene Bedürfnisse und Prioritäten, welche die Smart Home-Gestaltung zum Gegenteil einer one-size-fits-all Lösung machen.
Nichtsdestotrotz gibt es aber auch grundlegende Dinge, wie verwaltbare Berechtigungsstufen für verschiedene Benutzer oder die einfache Einrichtung der Geräte, damit der Nutzer nicht schon vor der eigentlichen Anwendung abspringt. Für einen zielgerichteten Userflow ist deshalb auch bei der Smart Home-Gestaltung eine ausgewogene Balance zwischen Informationen, Anleitungen und Bestätigungen von Relevanz. Gerade beim Onboarding-Prozess helfen prägnante Überschriften, wie z. B. „Geräte gefunden“, oder unterstützende Elemente, wie selbsterklärende Grafiken oder eine aufleuchtende LED-Lampe direkt am Device, dem Nutzer die Übersicht zu bewahren und beim Verbindungsaufbau am Ball zu bleiben. Der Nutzer sollte beim Onboarding schließlich über jeden Schritt transparent informiert werden und bei etwaigen Fehlermeldungen auch direkt Lösungsvorschläge unterbreitet bekommen.
Die wichtigsten zu adressierenden Themen bleiben aber mittel- bis langfristig Sicherheit und Kontrolle, da Technologien, die Daten über Funk übertragen oder über das Internet austauschen, potenziell angreifbar sind. Es ist deshalb schön, dass Smart Homes Privatpersonen durch Kameras, Bewegungsmelder und Alarmanlagen neue Überwachungsfunktionen liefern, jedoch muss natürlich in erster Linie das System selbst sicher und von außen unantastbar sein. Geschlossene Smart Home-Systeme sind hierbei meist besser geschützt, da Systeme immer nur so angreifbar sind, wie das schwächste Glied in der Kette. Die Fortschritte in der Datenverschlüsselung und der Fokus auf hauptsächlich lokale Kommunikation machen aber auch offene Systeme immer sicherer, sofern die Nutzer selbst miteinbezogen und dabei mitgenommen werden, dass vor allem zugekaufte Geräte genauso Updates und Passwortschutz benötigen, wie das vom Hersteller gelieferte System.
Sowohl Hersteller als auch Experten müssen daher mögliche Bedenken ernst nehmen und Aufklärung betreiben, genauso wie auch die User Experience bei der Nutzung von Smart Home-Technologien Vertrauen schaffen muss. In erster Konsequenz bedeutet dies, dass unter Berücksichtigung der Berechtigungsstufen von jedem Haushaltsmitglied jederzeit Anpassungen möglich sind und auch von unterwegs aus eine intuitive sowie flexible Konfigurierbarkeit des Smart Home-Systems gewährleistet wird. Kontrolle und ein Sicherheitsgefühl kann nämlich nur dann entstehen, wenn der Nutzer stetig auf alle ihm notwendigen Informationen zugreifen kann und im Optimalfall vom Smart Home direkt auf Veränderungen aufmerksam gemacht wird.
Automatisierung als Mehrwert – Energieeffizienz und Nachhaltigkeit
Die smarte Steuerung der Heizung und Raumkühlung bietet heutzutage schon von sich aus ein enormes Sparpotenzial, wenn es um Energieeffizienz geht. Zukünftige Smart Homes werden zudem in der Lage sein, den gesamten Energieverbrauch aller angeschlossenen Devices aufzuzeichnen und dem Nutzer die Daten zur Beobachtung und Analyse zu übermitteln. Dies wird vor allem deshalb immer wichtiger, da durch die steigende Vernetzung natürlich immer mehr Geräte kontinuierlich Strom benötigen, um tatsächlich in Echtzeit auf Veränderungen reagieren zu können. Die Fähigkeit einzelne Standby-Geräte, die unnötig Strom ziehen, automatisiert oder per Input auszuschalten wird somit für moderne Smart Homes eine der wichtigsten Herausforderungen darstellen.
So oder so werden sich die Anforderungen bei der Nutzung von Smart Home-Technologien in den kommenden Jahren weiter drastisch erweitern und verändern. Geschlossene Systeme punkten hierbei immer noch mit einem größeren Sicherheitsversprechen und einer perfekten Abstimmung aller genutzter Komponenten, während offene Systeme durch die Einbindung verschiedener Herstellergeräte weitaus flexibler und oft kostengünstiger gestaltet werden können. Ähnlich verhält es sich auch bei der Frage, ob funk- oder kabelgebundenes System? So sind kabelgebundene Systeme meist um ein Vielfaches teurer, da sie einen nicht unerheblichen Bauaufwand erfordern, der es allen voran Mietern nahezu unmöglich macht, diese Option auch nur in Betracht zu ziehen.
Für Neubauten werden verkabelte Smart Home-Systeme aber sicherlich mehr und mehr zum Standard werden, was den positiven Nebeneffekt haben sollte, dass auch Steuerungselemente und Geräte günstiger zur Verfügung stehen. Die wichtigste Eigenschaft eines verbauten Smart Home-Systems sowie der genutzten Geräte wird jedoch heute wie auch morgen eine lange Lebensdauer sein. Software und Schnittstellen müssen daher langfristig auf dem neuesten Stand bleiben, damit die Funktionalität und Sicherheit stets gewährleistet ist. Im Gegensatz zu z. B. mobile Devices wie Smartphones, die sowieso von den meisten alle paar Jahre getauscht werden, sollten smarte Haushaltsgeräte wie Kühlschränke oder Waschmaschinen schließlich über ihre gewohnte, gesamte Lebensdauer nutzbar sein – nicht nur so lange, bis der Support eingestellt wird. Dies gilt für die gesamte Smart Home-Infrastruktur, weswegen es wichtig ist, weiterhin internationale Standards zu etablieren und idealerweise Richtlinien sowie Förderungen im Sinne der Nutzer zu schaffen, die genauso smart sind wie das gewünschte Zuhause der Zukunft.
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Quellen:
https://www.smartest-home.com/smart_home_historie_1939_2019/
https://ubuntu.com/blog/the-evolution-of-the-smart-home-how-it-started-part-1
https://www.bigdata-insider.de/was-ist-das-internet-of-things-a-590806/
https://gebaeudedigital.de/schwerpunkt/planung-und-installation/ux-design-fuer-iot-geraete/
https://www.coeno.com/blog/10-thesen-zur-user-experience-im-smart-home
https://iconstorm.com/zukunft-des-ux-design/
https://www.servervoice.de/smarthome-zielgruppen/
Eigene verlinkte Artikel:
Zielgruppen:
Personas:
https://www.forwerts.com/articles/?artikel=mit-personas-den-nutzern-ein-gesicht-geben
CUI:
Gestensteuerung:
Kontextsensitiv:
UX: